Spezialgebiet
Bewertung von Gastronomieimmobilien
Bei der Bewertung gastronomisch genutzter Immobilien ist es wichtig, auch einen Blick über den immobilienwirtschaftlichen Tellerrand hinaus zu werfen und zu verstehen, welchen spezifischen Herausforderungen sich diese Branche aktuell zu stellen hat:
Wirtschaftlicher Druck
Die Branche leidet unter massiv gestiegenen Energie-, Lebensmittel- und Personalkosten. Besonders die Rückkehr zur regulären Mehrwertsteuer von 19 % auf Speisen belastet viele Betriebe erheblich. Die durch die Inflation gesunkene Kaufkraft führt zu einem Umsatzrückgang. Im Jahr 2024 stieg die Zahl der Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um 27 %. Zusätzlich ist eine hohe Zahl sogenannter „stiller Geschäftsaufgaben“ zu verzeichnen. Besonders betroffen sind Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden.
Fachkräftemangel
Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften bleibt eine zentrale Herausforderung. Davon betroffen sind sowohl Fachkräfte als auch Aushilfen und ungelernte Arbeitskräfte. Schleppende Visa-Verfahren für internationale Fachkräfte sowie steigende Personalkosten verschärfen die Situation zusätzlich. Der Einsatz automatisierter Küchen oder robotischer Lösungen zur Effizienzsteigerung steht noch am Anfang.
Veränderte Standortlogik
Seit der Pandemie verlieren viele Innenstadtlagen an Bedeutung, während Stadtteilzentren, Wohngebiete und Randlagen zunehmend an Relevanz gewinnen. Diese Umsatzverlagerung hält auch nach dem Ende der Corona-Maßnahmen an. Neue Konzepte wie sogenannte „Dark Kitchens“, die ausschließlich für den Außer-Haus-Verkauf produzieren und ohne Gasträume auskommen, entstehen vermehrt in günstigeren Gewerbelagen. Dies wirkt sich auf die Anforderungen an Standorte und Immobilienstrukturen aus.
Nachhaltigkeit & Digitalisierung
Nachhaltigkeit ist zu einem festen Bestandteil der gastronomischen Erwartungshaltung geworden. Gäste fordern Konzepte, die auf regionale Produkte, Abfallvermeidung und umweltfreundliche Verpackungen setzen. Gleichzeitig erhöhen gesetzliche Vorgaben den Handlungsdruck auf Seiten der Betreiber. Ergänzend dazu schreitet die Digitalisierung in Form cloudbasierter Softwarelösungen, Online-Bestellprozesse und bargeldloser Bezahlmöglichkeiten weiter voran. Diese Systeme tragen nicht nur zur Effizienzsteigerung bei, sondern haben sich vielerorts zu einem festen Bestandteil des Geschäftsmodells entwickelt.
Konsumtrends & Gästebedürfnisse
Das Konsumverhalten hat sich spürbar verändert. Der Trend zum Homeoffice hat das Mittagsgeschäft vieler Betriebe beeinträchtigt. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach besonderen kulinarischen Konzepten, vegetarischen und veganen Angeboten sowie alkoholfreien Getränken. Vor allem die jüngere Generation zeigt ein wachsendes Interesse an Erlebnisgastronomie, etwa durch Live-Cooking, Themenabende oder interaktive Formate. Auch digitale Lösungen rund um Bestellung und Bezahlung werden zunehmend vorausgesetzt.
Systemgastronomie & MarktkonzentratioN
Deutschlands 100 größte Gastronomieunternehmen erzielten im Jahr 2024 einen Nettoumsatz von 17,36 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Während einige Unternehmen ihre Filialanzahl reduzierten, setzten andere wie L’Osteria, Coffee Fellows oder Starbucks ihre Expansion fort. Die Top Ten trugen mehr als die Hälfte zum Gesamtumsatz bei. Der größte Anteil entfiel auf Quickservice, Fastfood und Home Delivery. Das Fullservice-Segment belegte mit einem Umsatzanteil von 10,8 Prozent den dritten Platz. Die Branche steht weiterhin unter dem Einfluss steigender Kosten und einer zunehmenden Konsumzurückhaltung. Die Aussichten für das Jahr 2025 wurden zwar überwiegend optimistisch bewertet, für die darauffolgenden Jahre rechnen jedoch viele Unternehmen mit einer Stagnation oder leichten Rückgängen.
FAZIT
Die Herausforderungen der Gastronomiebranche führen zu einer erhöhten Unsicherheit bei der Bewertung gastronomischer Immobilien. Faktoren wie wirtschaftliche Risiken, Standortqualität, Betriebskonzepte und Nachhaltigkeitsinitiativen spielen eine entscheidende Rolle bei der Wertermittlung. Immobilienexperten müssen diese dynamischen Entwicklungen berücksichtigen, um realistische Werte zu ermitteln und Investoren fundierte Entscheidungsgrundlagen zu bieten.